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Elektroschrott als Problem der Industrie

Den Blick auf Produktion und Infrastruktur richten

Fällt der grösste Teil des Elektroschrotts gar nicht an, wenn Privatpersonen ihre alten Geräte entsorgen, sondern bereits in der Produktion? So ist es, besagen die hier präsentierten Resultate. Dem folgt die Erkenntnis, dass sich politische Initiativen vermehrt auf die Sphäre der Produktion fokussieren müssen.

Elektroschrott ist ein faszinierender Haufen. Ständig taucht er in den Nachrichten auf und treibt uns um. Er geht uns alle etwas an, weil das Leben immer mehr um digitale Geräte herum aufgebaut wird. Es scheint keine Alternative dazu zu geben, das Repertoire an Geräten weiterzuentwickeln und regelmässig Gadgets auszutauschen.

Der Müllberg wächst – mehr als 50 Millionen Tonnen Elektroschrott pro Jahr fallen an, wie die United Nations University in ihren renommierten « E-Waste »-Reports schätzt.1 Und Konsument*innen wird beigebracht, dass sie direkt für die unfassbar grossen Mengen an Abfall verantwortlich sind. Es ist Elektroschrott, den sie ganz persönlich hinterlassen. Überregionale Zeitungsmedien bringen etwa regelmässig Reportagen heraus, in denen sie sich an entsorgte Elektronikgeräte anheften und zeigen, wo denn der eigene Laptop hinreist. Das sind aufwändige Stories, die oft in Westafrika oder Asien enden und von schlechten Arbeitsbedingungen berichten. Gleichzeitig informieren Medien regelmässig über die ‹ richtige › Art, wie Elektroschrott zu entsorgen ist – warum die Schublade im Schreibtisch kein Ort für alte Handys ist, welche offiziellen Stellen alte Geräte annehmen, und weshalb das sorgsame Recycling durch Konsument*innen so wichtig ist, um Quoten zu erhöhen. Aber diese Perspektive greift zu kurz und führt nicht dazu, dass Abfallberge kleiner oder weniger gefährlich werden. Im Gegenteil, denn der Müllberg wächst ja weiter.

Bereits seit 2002 gibt es in der EU verpflichtende Massnahmen zum Recycling und einer giftfreien Verarbeitung von E-Schrott. In Deutschland ist etwa das Elektrogesetz die zentrale Regulierungsmassnahme, die aus der EU-Legislative folgt. Die meisten Länder weltweit sind nunmehr der EU gefolgt. Aber die Initiativen sind nicht konsequent genug. So gilt etwa als wichtigste Massnahme die erweiterte Herstellerhaftung, mit der Elektronikproduzenten aufgefordert werden, das Recycling von Elektroschrott organisatorisch und finanziell mitzutragen, und auch der Handel ist mit Rücknahmepflichten eingebunden. Das hat tatsächlich geholfen, die Recyclingquoten leicht zu erhöhen. Unternehmen erleichtern und fördern die Rückgabe von Altgeräten, die deswegen aber auch explizit nicht dem Markt für Wiederverwertung überlassen, sondern in den Schredder geworfen werden. Zudem preisen die Hersteller die Kosten für die Recyclingprogramme in ihre Produkte ein, sodass Konsument*innen die « Erweiterung » der Herstellerhaftung tragen. Und an der Produktion von neuen digitalen Gütern ändert ein Elektrogesetz wenig.

Auf Grund der Inkonsequenz der Initiativen fehlt Schwung für eine sozial-ökologische Transformation, die eigentlich aufgrund der Klimakrise schon lange eingeleitet sein sollte. Ein Zusammenhang kommt in der Diskussion stets zu kurz: Es sind industrielle Praktiken, die für den meisten Müll und die giftigsten Abfälle verantwortlich sind; Konsument*innen können hier nicht steuern und von vielen industriellen Routinen der Entsorgung giftiger Stoffe wissen sie nicht einmal.

Industrieller Elektroschrott

Nähert man sich den Statistiken mit einem frischen Blick, ist das Bild klar: 97 Prozent Industriemüll stehen 3 Prozent Haushaltsmüll gegenüber. Daher ist es problematisch, wenn öffentlich nur auf die « end of pipe » des Haushaltsabfalls geschaut wird. Die Zahlen 97 und 3 sind zwar nur bedingt haltbar, weil man auf Unternehmenserhebungen und vermischte Kategorien angewiesen ist. Aber sie sind eine gute Annäherung, wie Samantha MacBride in ihrem Buch Recycling Reconsidered aufzeigt.2 Man muss Statistiken durchwühlen, um mit Mythen zu brechen und Verhältnisse besser darzustellen. In Europa bietet Eurostat einen Zugang zu aufschlussreichen Datenbanken, selbst wenn es die Plattform einem nicht ganz einfach macht.

Schon auf der Startseite von Eurostat findet man schnell Hinweise für Statistiken zu « WEEE », den Elektro- und Elektronikgeräte-Abfällen. Es ist ein Vorzeige-Abfallstrom. Aber: Das meint nur den von offiziellen Stellen verarbeiteten Haushaltsmüll, der in Bezug gesetzt wird zu Elektronikgütern « put on the market » – womit die Herstellung und der Vertrieb dieser Güter sozusagen als Naturkraft gesetzt und gleichzeitig ignoriert werden. Will man Abfälle aus der Produktion finden, muss man einen Umweg nehmen über die etwas versteckte « Statistische Systematik der Wirtschaftszweige in der Europäischen Gemeinschaft », über das Französische auch bekannt durch die Klassifikation als NACE Revision 2. Dann gibt es Daten zu « Manufacture of computer, electronic and optical products », plus weiteren Equipments bis hin zu « motor vehicles, trailers and semi-trailers » und « other transport equipment ». Es ist eine Mischkategorie, denn all jene Industrien hängen untrennbar mit der Elektronikproduktion zusammen und bilden zusammen eine « high-tech »-Klassifikation.

Legt man die Datenreihen von Haushalts- und Industrieabfällen nebeneinander (Abb. 1), zeigen sich die gravierenden Unterschiede. Selbst, wenn man damit nur auf die Elektronikproduktion in Europa schaut – und dazu die wichtige globale Vernetzung der IT-Industrie ausblendet –, war die Menge von Produktionsabfällen 2018 mehr als 4-mal grösser als der Elektroschrott von Haushalten. Die Europäische Union zeigt die Daten in der Standardeinstellung relativ pro Kopf, sodass durch die sinkenden Bevölkerungsgrössen die Menge an produziertem Elektroschrott zurückzugehen scheint. Aber mit Blick auf Abfall zählt nur die absolute Menge an Tonnen – und der Rückgang ist minimal, wahrscheinlich durch Outsourcing zu erklären.

Elektroschrott nach Industrie und Haushalt. Quelle: Eurostat. Eigene Darstellung. CC-BY 4.0.

Der Geograph Josh Lepawsky hat mich mit seiner forensischen statistischen Arbeit zu dieser Kalkulation inspiriert, und er bringt in seinem Buch Reassembling Rubbish zur Verdeutlichung der Verhältnisse gerne auch einen Perspektivwechsel ins Spiel: Im Vergleich ist die Menge des giftigen Abfalls im Produktionsprozess von nur einer Kupfermine in den USA grösser als die gesamte Menge an Elektroschrott, die das Land exportiert.3 Und dabei ist der Abfall deutlich gefährlicher und hinterlässt Verschmutzung in der Umwelt, dessen Umfang und Folgen nicht abzuschätzen sind. In der öffentlichen Diskussion von Elektroschrott fällt die Mine jedoch aus dem Bild heraus, es bleiben nur die Haushalte übrig. Weder wird den Konsument*innen eine Alternative zur Verschwendung geboten, noch wird die lange Wertschöpfungskette bis hin zur Mine kritisch durchleuchtet und wirksame Formen der Regulierung gesucht. Dabei spielt unternehmerische Öffentlichkeitsarbeit eine leitende Rolle. Dazu ist das Beispiel einer Grossindustrie aufschlussreich.

Ablenkungsmanöver

Im letzten Jahrzehnt haben wir im öffentlichen Diskurs Ablenkungsmanöver von Klimaleugnung kennengelernt. Es geht langsam aber sicher ins öffentliche Bewusstsein ein, dass Energieriesen wie Exxon Mobil schon lange von den schädlichen Folgen ihrer Praktiken wissen und sich dann bewusst für Klimawandelleugnung entschieden haben, weil die Fortsetzung ihrer Geschäfte profitabel ist. Etwas weniger bekannt ist, dass die Plastikindustrie an diesen Praktiken teilnimmt.4 Sie ist besorgt, dass die Schwemme von Plastikmüll als ebendiese grosse Problematik anerkannt wird, die sie ist. Das ist für Elektroschrott relevant, denn ich muss nur auf meinen Bildschirm schauen, auf meine Tastatur klopfen oder die Grafikkarte zerschlagen, um von Plastik begrüsst zu werden. Plastik ist der digitale Klebstoff.

Dabei war die Plastikindustrie in zweierlei Hinsicht erfolgreich in der politischen und öffentlichen Meinungsbildung, wie Alice Mah in Plastic unlimited erläutert.5 Erstens: Der Aufstieg der Industrie konnte nur gelingen, weil die negativen gesundheitlichen Effekte der Plastikproduktion und des Mülls schon ab den 1960er Jahren negiert wurden. Nachdem sich in den 1950ern synthetisches Plastik etablierte, gab es schnell Hinweise für Gefahren, aber sie wurden unterschlagen. Heute gibt es vielfältige Hinweise für die gefährlichen Nebenfolgen der Petroindustrie und ihrer Verästelungen. Das zeigt sich einerseits an den Arbeitsstätten und in der Umgebung von Produktionsgeländen – unter Anwohner*innen ist etwa das Risiko für Krebskrankheiten deutlich höher. In den USA spricht man daher etwa über das Cancer Alley. Andererseits verdeutlichen wissenschaftliche Studien, wie sich Mikroplastik ausbreitet, man findet es an entlegensten Gebieten – vom Meeresboden bis hin zur eigenen Blutbahn.

Zweitens gelingt es der Industrie bis heute, die öffentliche Diskussion so zu beeinflussen, sodass Debatten auf die Hoffnung in Sammlung und Recycling setzen, anstatt auf die Reduktion der Produktion von petrochemischen Produkten. Es geht dabei auch um eine irreführende Repräsentation von Müllmengen, wie beim obigen Beispiel der Elektroschrott-Daten. Vor allem soll aber der Hahn der Produktion nicht angetastet werden. Die Menge an Materialien, die Plastik enthalten – insbesondere auch im Computersegment – steigt exponentiell an. Recycling kann dies nicht auffangen. Nicht nur das. Schon in der chemischen Produktion von Plastik gehen Materialien an die Umwelt verloren – und bleiben bis auf Weiteres im Umlauf. Die Recyclingmethoden, die es gibt, können nur einen kleinen Teil der Materialien wiedergewinnen. Sie sind energieaufwendig und wirken sich negativ auf die CO2-Bilanz aus.

Die Plastikindustrie macht nur einen Teil des Elektroschrott-Problems aus, aber man erkennt bereits gut, wie die Produktion unsichtbar, ja undiskutierbar gemacht wird. In öffentlichen Debatten landet man nicht bei industrieller Verantwortung, sondern stattdessen schnell auf dem offenen Meer und zieht grosse Netze an Müll aus dem Wasser, wie es etwa das « Ocean Cleanup »-Projekt verspricht – obwohl damit der Grossteil der kleinen Plastikteile nicht gefangen, Plankton zerstört und der Hahn des laufenden Abfallstroms nicht zugedreht wird.

Viel wirksamer als der Kauf eines als nachhaltig beworbenen Geräts, die Hoffnung in heilsame Recycling- oder Clean-Up-Projekte ist es daher, auf Kräfteverhältnisse und kollektive Ordnungen einzuwirken, die industrielle Routinen ändern. Müllvermeidung ist eine umfassende Herausforderung – jedoch mit ungleich verteilter Verantwortung.

Modulares Scheitern

Unternehmen haben ebenfalls erkannt, dass die Produktion von Gütern anders ablaufen kann – bzw. dass es ein Interesse von Konsument*innen ist, dass es anders sein sollte. Dies verdeutlicht ein prominentes Beispiel: ein modulares, leicht zu reparierendes Handy, das Google entwickelt hat. Entwickeln wollte, um genau zu sein. Im Fokus steht mit « Ara » ein « modulares Smartphone », das im Vergleich zu üblichen Geräten unter besseren Bedingungen produziert und vor allem durch seine Gestaltung länger haltbar sein sollte.6

Die Entwicklung des Telefons war eng verbunden mit der Initiative einer technologieorientierten Bewegung namens « Phonebloks », die sich für ein « phone worth keeping » eingesetzt hat.7 Bei dieser proto-sozialen Bewegung gibt es Überschneidungen mit der « Fairphone »-Community. Das « Project Ara » wurde mehrere Jahre lang entwickelt und auf online « gestreamten » Konferenzen für Entwickler*innen diskutiert und weiterentwickelt.

Ein Prototyp des Project Ara. Quelle: Mauricio Pesce.

Liest man sich zum modularen Smartphone ein – stöbert etwa durch Wikipedia –, trifft man auf hoffnungsvolle Erwartungen. Smartphones sind aktuell so gebaut, dass ein kleiner Defekt leicht zu einem Totalschaden wird. Ausserdem machen Softwareupdates die Geräte schnell obsolet. Die Problematik der « Obsoleszenz » sollte mittels modularem Smartphone aufgehoben werden, indem Einzelteile ohne grosse Mühen ausgewechselt werden können. Genau mit dieser Vision ist 2012 « Phonebloks » auf die Bühne getreten und hat auf YouTube einen viralen Hit gelandet. Hinter dem Video stand der Designstudent Dave Hakkens. Er wurde schnell von Google (und Elektronikherstellern) angesprochen, die Interesse am Projekt hatten, und im Fall von Google sogar bereits selbst mit ähnlichen Konzepten experimentierten. Man schloss sich zusammen und setzte auf offene, einladende Projektkommunikation, die eine « Community » formen sollte.

Zunächst waren Expert*innen skeptisch, denn die Machbarkeit schien nicht gegeben, aber Google und die Developer Conferences in den Jahren 2013 und 2014 überzeugten Designer*innen, Ingenieur*innen wie auch Wertschöpfungsfachleute. Man freute sich auf ein modernes Telefon, wie abgebildet in Abbildung 2, das neben der einfachen Handhabung einen weiteren Clou versprach: Man sollte die « Module » des modularen Smartphones über einen von Google geleiteten Store kaufen können, also einen Hardware-Store, der nach dem Vorbild des « App-Stores » gebaut sein würde.

Aber, erstens: Die Investitionen schienen zu hoch, Google entledigte sich nach einer kurzen Phase der Verstummung gänzlich vom Projekt. Man könnte auch sagen: Ein weiteres Projekt mit « Moonshot »-Charakter wurde abgeblasen. Und, zweitens: Die Vision eines Hardware-Stores deutete bereits an, dass ein solches Telefon wohl nie etwas mit Nachhaltigkeit gemein gehabt hätte. Es ging um die Kreation eines neuen Marktes und die Dynamisierung von Wertschöpfungsketten – einen einfachen Einstieg für Developer*innen, moderiert von Google. So ein modulares Gerät wäre eine Einladung dazu gewesen, im Akkord kleine Gadgets auf den Markt zu werfen, die schnell veralten – um dann in den berühmten Schubladen von Konsument*innen zu verschwinden, überholt vom nächsten Upgrade. Die Module wären auch äusserst schwer zu recyclen gewesen. Googles Stores honorieren hohen Umsatz und regelmässige Innovation, angetrieben durch einen scharfen Wettbewerb zwischen Entwickler*innen. Daraus folgt: Ein modulares Smartphone wäre anfällig gewesen, und es wäre wohl schneller aktualisiert worden als ein schlichtes Android-Phone oder ein iPhone, für die es zumindest stabile Märkte für Wiederverkäufe und Reparaturen aller Art gibt.

Es zeigen sich verblüffende Parallelen zu den Ablenkungsmanövern der Plastikindustrie. Mit viel Pomp wird an ein öffentliches, bisweilen auch aktivistisches Mobilisierungspotenzial angeknüpft – und es wird in die Bahnen des unternehmerischen Wirtschaftswachstums gelenkt, das ausgerichtet ist auf Massenkonsum, steigenden Energiebedarf, und wachsende Müllberge, die schwer zu regulieren sind. Gleichzeitig verpufft politische Energie, die anders besser hätte investiert werden können als in eine produktspezifische Kampagne. Kollektive Versammlungskraft geht inmitten von technologischen Innovationshoffnungen verloren. Und Zeit verstreicht. Deswegen ist es so entscheidend, die Diskussion von Elektroschrott vom Kopf auf die Füsse zu stellen: mit Blick auf die materiellen Verhältnisse, gegen Mythen über scheinbare individuelle Verantwortung, kollektiv agierend.

Kollektives Handeln

Die Daten und Erfahrungen zur Produktion von Elektroschrott und Plastik machen letztendlich klar, dass die dominante Zuschreibung von Verantwortung problematisch ist. Die aktuelle Diskussion über Elektroschrott konzentriert sich zu sehr auf individuelle Verantwortung und Haushaltsgrössen, sie setzt an der falschen Stelle des Wertschöpfungsprozesses ein. Schlaues Marketing von Unternehmen wie Google versucht die Stimmung für sich zu nutzen, und lässt damit erneut Kräfte verpuffen. Mit einer Wende, so mein Vorschlag, kann man den öffentlichen Diskurs produktiv irritieren und mit einem Anders-Denken beginnen.

Es ist nicht entscheidend, jede einzelne Konsumhandlung zu hinterfragen. Es wird auch keinen grossen Unterschied machen, wenn Einzelpersonen fleissig ihre alten Haushaltsgüter zum Recycling abgeben. Die Diskussion persönlicher Laster lenkt ab von der Formung wirksamer politischer Kräfte. Spitz formuliert: Kauft ruhig elektronische Geräte, achtet vielleicht auf Dinge wie Reparaturfähigkeit und Fair Trade-Marken, wenn die Auseinandersetzung mit diesen Themen Spass bereitet – vielen, aber eben nicht allen Menschen macht ein solch bewusster Konsum Spass. Bewusster Konsum hilft durchaus, eine politische Position zu finden und ein ökologisches Bewusstsein zu formen. Die Konsumkritik ist nicht falsch. Aber es ist nur bedingt hilfreich, sich von gegenseitiger Beschuldigung lähmen zu lassen. Es ist sogar kontraproduktiv, wenn man sich über solche Dinge streitet oder einen Vorhang zur Inszenierung der eigenen Leistung hervorzieht. Davon profitieren industrielle Akteure – auf Grund von ausbleibender politischer Versammlung. Es besteht die Gefahr, einem unrealistischen Ideal der Reinheit zu verfallen, das im Umkehrschluss von industriellen Interessengruppen hervorgehoben werden kann, um eine Blockadehaltung aufzubauen oder eine Paralyse herzustellen.

Was können sinnvolle Massnahmen sein, die nicht auf individuelle Verantwortung setzen? Zwei Vorschläge sollen hier genügen. Erstens lohnt es sich, politische Vereine und Initiativen zu unterstützen, die sich für Arbeitsrechte und Verbraucher*innen-Rechte einsetzen. Ein Beispiel für einen erfolgreichen internationalen Verbund ist die Recht-auf-Reparatur-Initiative. Zweitens ist es in diesem Kontext unumgänglich, den Druck auf Software-Hersteller zu erhöhen, ihre Apps offen, interoperabel und schlank zu entwerfen. Privat, vor allem aber im institutionellen und beruflichen Kontext sollte es Standard sein, freie Software zu nutzen, die mit möglichst geringen Anforderungen auskommt. Solche fundamentalen Veränderungen können wir auch aktiv einfordern.

Stefan Laser ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Ruhr-Universität in Bochum und forscht zu Transformationsprozessen aus einer soziomateriellen Perspektive – zu Abfall, der Tierindustrie und dem Schienenverkehr. Zum Fall Elektroschrott ist 2020 das Buch Hightech am Ende erschienen.

References
1 Forti, V.; Baldé, C. P.; Kuehr, R. u. a.: The Global E-waste Monitor 2020: Quantities, flows and the circular economy potential, United Nations University (UNU)/United Nations Institute for Training and Research (UNITAR) – co-hosted SCYCLE Programme, International Telecommunication Union (ITU) & International Solid Waste Association (ISWA), Bonn, Genf, Rotterdam 2020.
2 MacBride, Samantha: Recycling reconsidered: The present failure and future promise of environmental action in the United States, Cambridge, Mass. 2011 (Urban and industrial environments).
3 Lepawsky, Josh: Reassembling rubbish: worlding electronic waste, Cambridge, Ma. 2018.
4 Connected Sociologies (Reg.): Plastics and Toxic Colonialism – Prof Alice Mah, 30:45, 28.06.2022. Online: ‹ https://www.youtube.com/ watch?v=xUuqVQT5PdI ›, Stand: 19.09.2022.
5 Mah, Alice: Plastic unlimited: how corporations are fuelling the ecological crisis and what we can do about it, Cambridge; Medford, MA 2022.
6 Mehr dazu in Teil III des Buchs: Laser, Stefan: Hightech am Ende. Über das globale Recycling von Elektroschrott und die Entstehung neuer Werte, Wiesbaden 2020 (Soziologie des Wertens und Bewertens).
7 Phonebloks, ‹https://www.onearmy.earth/ project/phonebloks›, Stand: 19.09.2022.